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Nationale Stadtentwicklungspolitik – Initiativen und Projekte des Bundes

  • Tilman Buchholz, BMUB
  • 13. Dez. 2017
  • 4 Min. Lesezeit

Der demografische Wandel, Klima- und Ressourcenschutz, die Integration zugewanderter Menschen, Digitalisierung, der globale und lokale wirtschaftliche Strukturwandel, der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft – das sind die großen sozial-, wirtschafts- und damit auch stadtpolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Besonders in den Städten werden die Folgen dieser Prozesse deutlich, sei es durch Phänomene des Wachstums oder solche des Schrumpfens. Unsere Gesellschaft steht vor komplexen Aufgaben, die eine Bündelung aller Kräfte erfordern. Aus diesem Grund haben sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bereits 2007 auf gemeinsame Leitlinien der Stadtentwicklung verständigt, um die Kommunen in Europa zukunftsfähig zu entwickeln.

Die Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt, 2007 unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft verabschiedet, ist ein Dokument der Mitgliedstaaten, das unter umfassender und transparenter Beteiligung der europäischen Interessenvertreter erarbeitet wurde. Die Hauptbotschaften der Charta lauten, das Instrument der integrierten Stadtentwicklung stärker zu nutzen und entsprechende Strukturen dafür zu schaffen, sowie benachteiligten Stadtquartieren im gesamtstädtischen Kontext mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die Ministerinnen und Minister verpflichteten sich außerdem dazu, eine politische Initiative in ihren Mitgliedsstaaten zu starten, wie die Grundsätze und Strategien der Leipzig-Charta in nationale, regionale und lokale Entwicklungspolitiken integriert werden können.

Die Nationale Stadtentwicklungspolitik ist eine Gemeinschaftsinitiative von Bund, Ländern und Kommunen. Vertreter aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft entwickeln seit 2007 unter dem Dach der Nationalen Stadtentwicklungspolitik Strategien und Instrumente (z. B. Städtebauförderung) um die Ziele der Leipzig-Charta umzusetzen. Die Initiative organisiert ihre Arbeit in drei Schwerpunktbereichen: in der Förderung Guter Praxis (insbesondere in Form der Städtebauförderung), in einer Projektreihe für Stadt und Urbanität (als experimenteller Arm der Initiative) und im Angebot einer Plattform für Stadtentwicklung (unterschiedliche Formate der Öffentlichkeitsarbeit für Stadtentwicklung).

Im Jahr 2017 liegt die Höhe der Bundesfinanzhilfen für die Städtebauförderung bei 790 Mio. Euro. Die Mittel teilen sich auf folgende Programme auf: Soziale Stadt, Aktive Stadt- und Ortsteilzentren, Städtebaulicher Denkmalschutz, Stadtumbau Ost und West, Kleinere Städte und Gemeinden, Zukunft Stadtgrün. Das Programm Soziale Stadt wird als das Leitprogramm der sozialen Integration angesehen. Es fördert seit 1999 mit einem integrierten Ansatz benachteiligte strukturschwache Stadtteile. Dazu zählen Investitionen in die Wohn- und Lebensbedingungen, soziale Infrastruktur und die Umwelt ebenso wie Maßnahmen der Bürgerbeteiligung und des Quartiersmanagements. Entscheidend sind der interdisziplinäre Ansatz und die Verfolgung integrierter Entwicklungsstrategien in den Quartieren.

Die Ressortübergreifende Strategie Nachbarschaften stärken – Miteinander im Quartier startete 2017 und zielt auf eine bessere Kooperation mit anderen Bundesministerien in der sozialen Quartiersentwicklung, um den sozialräumlichen Ansatz auch in anderen Ressorts stärker zu verankern. Für ressortübergreifende Modellvorhaben stehen zehn Millionen Euro im Jahr zur Verfügung. Begonnen wurde mit Verbraucherberatung und Jugendmigrationsdiensten im Quartier. Der Investitionspakt Soziale Integration im Quartier startete ebenfalls im Jahr 2017. Das BMUB fördert das Programm mit 200 Mio. Euro im Jahr bis 2020. Ziel ist es, Schulen, Kitas, Stadtteilzentren und Nachbarschaftstreffs zu Zentren der Integration, Bildung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu machen.

Auch europäische Fördermittel spielen in der sozialen Quartiersentwicklung eine wachsende Rolle. Ergänzend zum Programm Soziale Stadt fördert Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier (BIWAQ) seit 2008 mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem BMUB Arbeitsmarktprojekte in benachteiligten Gebieten. In gegenwärtig 73 Kommunen wird die Integration von Langzeitarbeitslosen (≥ 27 Jahren) in den Arbeitsmarkt und die Stärkung der lokalen Ökonomie im Zeitraum 2014 bis 2020 gefördert.

Mit Jugend stärken im Quartier bündeln erstmalig zwei Bundesministerien in einem gemeinsamen Programm Mittel des ESF: Das BMUB und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unterstützen in der aktuellen ESF-Förderperiode Angebote für junge Menschen zur Überwindung von sozialen Benachteiligungen und individuellen Beeinträchtigungen am Übergang von der Schule in den Beruf. Der Schwerpunkt liegt in den Gebieten der Sozialen Stadt und vergleichbaren Brennpunkten. In der ersten Förderrunde 2015 bis 2018 setzen 178 Kommunen Projekte zur Förderung junger Menschen durch öffentliche und freie Träger im Bereich Jugendsozialarbeit um.

Die Projektreihe für Stadt und Urbanität fasst Pilotprojekte der Nationalen Stadtentwicklungspolitik zusammen, die neue Ansätze in der Stadtentwicklung und kreative Verfahren der Zusammenarbeit erproben. In den vergangenen Jahren gab es Projektaufrufe zu unterschiedlichen Themen, auf die über 1000 Interessensbekundungen und die Förderung von 150 experimentellen Projekten folgten. Innovativ, partnerschaftlich und beispielgebend/übertragbar – das sind die Förderkriterien für diese Projekte. Stadtentwicklung und Migration war der Titel des Projektaufrufs 2016, durch den nach beispielhaften Projekten, die sich mit dem Thema Integration von Zugewanderten im Rahmen langfristiger integrierter Stadtentwicklungsstrategien befassen, gesucht wurde. Zehn Pilotprojekte, verteilt über ganz Deutschland, wurden ausgewählt und werden für drei Jahre begleitet und unterstützt.

Das Projekt Kirche findet Stadt wird ebenfalls seit mehreren Jahren im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik gefördert. Mit diesem ökumenischen Kooperationsprojekt untersuchen und erproben die evangelische und die katholische Kirche zusammen mit ihren jeweiligen Wohlfahrtsverbänden, Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband und Deutscher Caritasverband, an zahlreichen Standorten in ganz Deutschland die Rolle von Kirche in ihren unterschiedlichen Facetten als Akteur der integrierten Stadtentwicklung. Deutschlandweit werden die Themen Wohnen und Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung, Generationenübergreifendes Zusammenleben, Zentren und Orte der Begegnung und Integration, sowie Gesundheitsförderung, Prävention und Inklusion bearbeitet. Zukunftssichere Entwicklung integrationsfähiger, lebenswerter Quartiere ist Gemeinschaftsaufgabe unterschiedlicher Akteure. Kirche findet Stadt ist – wie zahlreiche andere Projekte – ein Experimentierfeld für neue Allianzen in der stabilisierenden Stadtentwicklung und unterstützt den Austausch zwischen den verschiedenen Umsetzungsebenen in der Stadtentwicklung.


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