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Wohnraumgestaltung für Geflüchtete

  • Hans-Jörg Schmidt. Aufbeugemeinschaft Espelkamp
  • 5. Okt. 2017
  • 4 Min. Lesezeit

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eines der zentralen Themen in der gesamten Flüchtlingskrise. In Abhängigkeit von dem Druck des Flüchtlingsstroms ist ein enormes kreatives Potential freigesetzt worden, das gleichzeitig der gesamten Wohnungsbaupolitik neue nachhaltige Impulse gegeben hat.

Die Kommunen, die zur Unterbringung der asylsuchenden Menschen verpflichtet sind, hatten bis 2012 Ihre Unterbringungsmöglichkeiten stark zurückgefahren, da auch die Zahl der in Deutschland gestellten Asylanträge rückläufig war (ca. 65.000 im Jahr 2012). Bereits 2014 waren Sie jedoch verpflichtet, die dreifache Anzahl an Asylsuchenden unterzubringen. Viele Kommunen hatten sich auch für 2015 auf eine weitere Steigerung eingestellt und Wohnungsbestände angemietet, Wohncontainer gekauft oder angemietet oder leerstehende Büro- oder Gewerbeflächen umgebaut. Durch die Öffnung der Grenzen im August 2015 waren selbst die Planungen dieser vorausschauenden Kommunen überholt. Anstelle bedarfsgerechter Planungen mit Nachnutzungskonzepten und höchstmöglicher Aufenthaltsqualität mussten irgendwie Notunterkünfte geschaffen werden. Es gab weder planbare Zahlen über Zuweisungen, noch war ein Ende des Flüchtlingsstroms in Sicht. In dieser Phase wurden in großen Mengen Wohncontainer und beheizbare Zelte bestellt.

Durch den Rückgang der Flüchtlingszahlen haben die Kommunen wieder Reserven zur Erstunterbringung. Gleichzeitig arbeitet das BAMF Asylanträge im beschleunigten Verfahren ab. Im Rahmen der Möglichkeiten der „Asylpakete“ erhielten im Jahr 2016 rd. 60% der Antragsteller einen „Schutzstatus“. Allerdings erhalten rd. 22% der Antragsteller nur einen sogenannten „subsidiären Schutz“. Alle Antragsteller mit Schutzstatus haben grundsätzlich vollen Anspruch auf soziale Leistungen nach dem SGB. Im Unterschied zum vollumfänglichen Schutz wird das Aufenthaltsrecht für subsidiäre Schutzempfänger jedoch auf ein Jahr befristet mit entsprechender Verlängerungsoption, falls der Asylgrund weiter besteht. Zudem gibt es seit dem 1. Dezember 2016 für alle Flüchtlinge mit einem Aufenthaltsstatus eine Wohnsitzauflage von drei Jahren. Darüber hinaus gibt es auch noch die Möglichkeit des Familiennachzuges.

Die Frage, wie anerkannte Flüchtlinge Zugang zu den Wohnungsmärkten erhalten, hat jetzt Priorität erlangt. Es gibt immer mehr Flüchtlinge, die einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft einer Wohnung haben. Viele Wohnungsmärkte sind auch ohne Flüchtlingskrise deutlich angespannt. Zusätzlich kommt eine ganz neue Gruppe von Wohnungssuchenden auf diese Märkte. Vermieter müssen abwägen, wem sie eine Wohnung vermieten. Ein Mietverhältnis begründet zivilrechtliche Verpflichtungen, unabhängig von öffentlich rechtlichen Ansprüchen. Verliert ein Flüchtling seinen Schutzstatus, ist der Mietvertrag davon nicht betroffen. Ohne Schutzstatus gibt es keinen Anspruch auf Übernahme der Mietkosten. Wer übernimmt das Risiko des Mietausfalls?

Ohnehin muss die Wohnung in Bezug auf Größe und Kosten angemessen sein. Alleinstehende Personen können maximal eine kleine Wohnung anmieten. Was ist, wenn die Wohnung aufgrund von Familiennachzug zu klein wird, aber andere Wohnungen mangels Angeboten nicht zur Verfügung stehen? Wie reagiert ein Vermieter auf Überbelegungen? Auf was für ein mögliches Wohnverhalten muss sich der Vermieter einstellen? Wird es Konflikte mit der vorhandenen Nachbarschaft geben? Gibt es möglicherweise eine Neiddiskussion der abgelehnten nichtflüchtigen Bewerber?

Wenn ein Vermieter auf einem angespannten Wohnungsmarkt die Wahl hat, dürfte er aus wirtschaftlichen Gründen keinen Wohnraum an Flüchtlinge vermieten. Die Kommunen müssen einen Teil des Vermieter-Risikos übernehmen, damit Flüchtlinge überhaupt Zugang zu Wohnraum erhalten. Kommunen mieten bereits im eigenen Namen Wohnungen an, um diese an anerkannte Flüchtlinge unter zu vermieten. Bewährt hat sich aber besonders ein Modell der sogenannten „einvernehmlichen Beschlagnahme“. Im Einvernehmen mit dem Vermieter werden anerkannte Flüchtlinge in bestimmte Wohnungen eingewiesen. Die Flüchtlinge haben eine Wohnung voll umfänglich zu ihrer eigenen Verfügung, allerdings gilt nicht ziviles Mietrecht, sondern öffentliches Recht. Im Falle von ernsthaften Problemen kann die Einweisung dann kurzfristig zurückgenommen werden. Um diese Ultima Ratio zu vermeiden, verpflichten sich die Kommunen zur intensiven Betreuung und Konfliktberatung. Gleichzeitig sollten sich aber auch die Vermieter verpflichten, mit der vorhandenen Nachbarschaft in den Dialog zu treten, um frühestmöglich unnötige Eskalationen zu vermeiden.

Diese Modelle lassen sich grundsätzlich auch auf die Unterbringung von (noch) nicht anerkannten Flüchtlingen übertragen. In dieser Konstellation können durchaus mehrere Flüchtlinge in einer Wohnung untergebracht werden. Bei intensiver Betreuung durch kommunales Fachpersonal hat sich diese Variante sehr bewährt. Durch die dezentrale Unterbringung kommt es sehr schnell zu Kontakten mit den Nachbarn, Integration fängt dann bereits an der Haustür an. Insgesamt gibt es auch für die Flüchtlinge mehr Intimsphäre und Normalität als in Flüchtlingsheimen. Besonders bewährt hat sich in dieser Form die Unterbringung von Familien.

Ohne den Neubau von Wohnraum wird der bestehende Bedarf letztlich nicht gedeckt werden können. Die Erfahrungen aus dem sozialen Wohnungsbau sollten unbedingt berücksichtigt werden, vor allem sollte jedwede Konzentration vermieden werden. Bei Neubauprojekten sind aber auch die hohen Baukosten problematisch. In vielen Regionen Deutschlands ist der Neubau von öffentlich geförderten Wohnungen nicht mehr darstellbar. Bei frei finanzierten Wohnungen ist eine kostendeckende Miete über die regionalen KdU-Sätze auch nicht darstellbar. Letztlich will auch niemand die sich aufdrängende Neiddiskussion führen, und wer garantiert einem Vermieter, wie lange der Wohnraum für Flüchtlinge benötigt wird?

Vielleicht könnte folgendes Modell diese Probleme vermeiden:

  • Ein Vermieter verpflichtet sich, frei finanzierte Neubauwohnungen für einen bestimmten Zeitraum an SGB II-Empfänger zu vermieten.

  • Die Kommune verpflichtet sich, die Differenz zwischen den Kosten der Unterkunft und einer vorher vereinbarten Miete zu übernehmen.

  • Der Vermieter verpflichtet sich, bezahlbare Bestandswohnungen im gleichen Umfang für Flüchtlinge zu Verfügung zu stellen.

Fest steht, dass es keine Patentlösung gibt. Es müssen individuelle und kreative Maßnahmen ergriffen werden. Hierbei müssen die Kommunen und die Vermieter in beiderseitigem Vertrauen aufeinander zugehen und tradierte Einstellungen aufgeben. Hilfreich wäre auch eine entsprechende Unterstützung durch Bund und Ländern.


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