Wohnraumgestaltung für Menschen in Wohnungsnot
- Dörte Bischop, Berliner Stadtmission e.V.
- 13. Dez. 2017
- 4 Min. Lesezeit
I. Einführung ins Thema
„Wohnen ist nicht alles, aber ohne Wohnen ist alles nichts…“ Die Berliner Stadtmission ist seit Jahrzehnten in der Wohnungslosenhilfe Berlins engagiert. Es gibt derzeit drei gravierende Probleme für Menschen in Wohnungsnot:
Vermieter/innen können sich aus der Vielzahl an Bewerbern/innen aussuchen, wem sie eine Wohnung vermieten möchten. Transfergeldbezieher/innen oder verschuldete Menschen sind der Konkurrenz unterlegen.
Wohnungslose werden durch die Leitstelle des Senats in Unterkünfte vermittelt. In diese Unterkünfte gibt es kaum noch Vermittlungsmöglichkeiten. Bezirke vermitteln in Hostels, geben Kostenübernahmen für Hotels aus, mieten Ferienwohnungen an oder schicken Wohnungslose einfach wieder weg.
Wohnungslose in betreuten Übergangseinrichtungen müssen im Zweifelsfall nach Abschluss der Hilfe wieder zurück in Notunterkünfte geschickt werden, weil es nicht gelingt, eine eigene Wohnung anzumieten.
II. Vorstellung der Berliner Stadtmission
Das Leitwort der Berliner Stadtmission ist „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn“ (Jer. 29, 7). Das bedeutet: immer wieder zu fragen, was brauchen die Menschen dieser Stadt am meisten? Das Thema Wohnen ist naheliegend. 1877 gegründet ist die Berliner Stadtmission seit 140 Jahren aktiv innerhalb und außerhalb Berlins. Sie hat ca. 1.000 angestellte und rund 2.000 ehrenamtliche Mitarbeiter/innen in rund 85 Einrichtungen und ist Teil der Evangelischen Kirche. Sie engagiert sich in den Bereichen Mission, Diakonie, Begegnung und Bildung. (www.berliner-stadtmission.de).
Dass Wohnen für die Berliner Stadtmission ein wichtiges Thema ist, sieht man auch an unserem Leitbild. Hier heißt es u. a.: Wir wollen, dass sich Menschen bei uns zu Hause fühlen und Heimat finden. Der größte Teil unserer Einrichtungen wird in eigenen Immobilien betrieben. Daneben sind wir auch Wohnungseigentümer. Von unseren ca. 400 Wohnungen werden 75% frei vermietet, 25% werden von unseren sozialen Einrichtungen genutzt. (Straffällige, therapeutische WG, Geflüchtete, Wohnungslose).
III. Vorstellung verschiedener Projekte / Ansätze
Im Folgenden möchte ich fünf verschiedene Wohnkonzepte für Menschen in Wohnungsnot vorstellen: 1. Trägerwohnungen für wohnungslose Menschen Die Ambulanten Wohnhilfen betreuen wohnungslose Menschen mit dem Ziel des eigenen Wohnraums. Zu Betreuungsbeginn ziehen sie in sogenannte „Trägerwohnungen“, um ihre Obdachlosigkeit zu beenden. Trägerwohnungen heißen so, weil sie durch den Träger angemietet und an die Klienten/innen weitervermietet werden. Der Hauptmietvertragspartner ist die Stadtmission. Der Mietvertrag des/r Klienten/in mit der Berliner Stadtmission wiederum ist gebunden an den Betreuungsvertrag. Man kann zwei verschiedene Modelle unterscheiden:
Modell „Übergang“: Nach Betreuungsende wird die Wohnung dem/r nächsten Klienten/in zur Verfügung gestellt. Für den/die Vermieter/in sind wir als Berliner Stadtmission permanenter Ansprechpartner, Mietzahlungen und der Erhalt der Wohnung sind sichergestellt. Die finanzielle Belastung für den Träger ist ziemlich hoch, da Möblierung, evtl. Reparaturen, Leerstände und Mietausfälle von uns getragen werden müssen.
Modell „Probemiete“: Diese Wohnung wird von uns angemietet, weil Vermieter/innen der wohnungslosen Person zwar eine Chance geben wollen, jedoch zunächst die Verbindlichkeit eines direkten Mietvertrages scheuen. Da wir den Hauptmietvertrag übernehmen, gibt es die Möglichkeit, den/die Klienten/in kennenzulernen und ihm/ihr bei guter Erfahrung und Empfehlung durch uns einen Direktmietvertrag anzubieten. Insgesamt haben wir 150 Trägerwohnungen angemietet, ca. 40 davon aus unserem eigenen Bestand.
2. „Refugio“ - ganzheitliche Wohn-und Arbeitsgemeinschaft auf Zeit Mit dem „Refugio“ im multikulturellen Stadtteil Neukölln wurde am 1. Juli 2015 nach dem Grundsatz „Teilen statt Helfen“ ein bisher einzigartiges integratives Projekt gestartet, das ausschließlich aus eigenen Mitteln ins Leben gerufen und finanziert wird.
Im fünfstöckigen Haus leben zurzeit über 40 Menschen aus zehn Nationalitäten in 33 Zimmern, verteilt auf drei Etagen. Die Bewohner/innen organisieren das Gemeinschaftsleben des Refugio zusammen. Sie betreiben ein Café und organisieren verschiedene Veranstaltungen. Zwischen 600 und 1.000 Menschen besuchen das Refugio jeden Monat bei verschiedenen Angeboten im Haus. Daneben gibt es Büros von Kooperationspartnern im Haus und Ateliers, die an Künstler vermietet sind.
Das „Refugio“ ist keine Einrichtung, die der Aufsicht staatlicher Stellen unterliegt, es werden auch keine Sozialarbeiter/innen beschäftigt. Es ist eine ganzheitlich ausgerichtete Wohn- und Arbeitsgemeinschaft auf Zeit. Bis zu 18 Monate können die Bewohner/innen im Refugio bleiben. Buchempfehlung: „Jeder Mensch will ankommen“ von Sven Lager (Gründer des Refugio) und Gerold Vorländer (Leitender Mitarbeiter Mission der Berliner Stadtmission), Brunnen-Verlag.
3. „Haus Leo“ - Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge Das „Haus Leo“ ist eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Anders als bei vielen anderen Flüchtlingswohnheimen bieten wir den Menschen, vorranging Familien, Zwei-Zimmer-Wohnungen, wodurch sie ein eigenständiges und privates Leben führen können. Wir stellen hierfür 30 Wohnungen zur Verfügung. Daneben werden in 30 Einzelzimmern mit WC Alleinstehende oder Alleinerziehende mit Wohnraum versorgt.
Es wird Wert gelegt auf eine angenehme Wohnatmosphäre und eine stabile Umgebung. Das Zusammenleben unterschiedlicher Menschen auf dem Gelände des Zentrums am Hauptbahnhof fördert die Integration. Haupt-und ehrenamtliche Mitarbeitende beraten und begleiten die Bewohner/innen bei ihren Schritten im Alltag. Das Zurverfügungstellen von abgeschlossenen Wohneinheiten hilft sehr, Konflikten vorzubeugen, was sich u. a. darin äußert, dass kein Sicherheitsdienst benötigt wird.
4. Lupsteiner Weg – Begegnungs-und Integrationsprojekt in Kooperation mit der Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS)
Die Berliner Stadtmission unterhält gute Beziehungen zur Hilfswerk-Siedlung GmbH, einem Immobilienunternehmen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Ende 2016 wurde ein gemeinsames Integrationsprojekt gestartet. Die HWS vermietete Wohnungen an geflüchtete Menschen im Süden Berlins und installierte in einem leerstehenden Einkaufsmarkt ein sogenanntes Willkommensbüro. Hier arbeiten zwei Mitarbeitende der Berliner Stadtmission und stehen als Ansprechpartner bei Fragen und Problemen der Integration zur Verfügung und initiieren unterstützende Angebote, indem sie beispielsweise Ehrenamtliche anwerben und begleiten. Die Personalkosten (insgesamt eine volle Stelle) und Mietkosten des Willkommensbüros werden von der HWS getragen. Der Kooperationsvertrag wurde zunächst vom 1.12.16-30.11.17 geschlossen, eine halbjährliche Verlängerung ist derzeit geplant.
5. Jede vierte Wohnung an Bedürftige
Bei den freivermieteten Wohnungen der Berliner Stadtmission wird jede vierte freiwerdende Wohnung an eine Person in Wohnungsnot vermietet, die in einer unserer Einrichtungen betreut wird. Durch die Betreuungserfahrung kann eine gute Wohnprognose abgegeben werden, wodurch die meisten dieser Mietverhältnisse im weiteren Verlauf unauffällig sind. Sollte es doch Schwierigkeiten geben, die nicht mit dem/r Mieter/in direkt geklärt werden können, kann aufgrund der Beziehungsarbeit im Vorfeld auf die Hilfe der Einrichtungen zurückgegriffen werden.
IV. Fazit:
Die Nutzung von Immobilien für benachteiligte Personen ist wegen des zu leistenden Mehraufwands anstrengend, aber die Erfahrung etwas gesellschaftlich Wertvolles zu leisten, motiviert ungemein. Immobilien sind uns anvertraute Pfunde, sie kreativ zu nutzen, ist unsere Chance und Verantwortung! Und nicht zuletzt: Soziale Träger sind interessiert an Kooperationen – suchen Sie Kontakt. Die Berliner Stadtmission steht gern als Ansprechpartner zur Verfügung.