Die Änderung der Haftung in der kaufrechtlichen Lieferkette
- Prof. Prof. Dr. Beate Gsell, München
- 13. März 2018
- 3 Min. Lesezeit

Dieser Kurzbeitrag wurde im Rahmen der 17. Baurechtstage des eid vom 22. bis 23. März 2018 veröffentlicht. Der ausführliche Beitrag erschien im Juli 2018 in der Schriftenreihe Partner im Gespräch Band Nr. 106.
1. Regresserleichterungen der §§ 478, 479 BGB a.F.
Schon seit der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 war in Umsetzung von Art. 4 Richtlinie 1999/44/EG zum Verbrauchsgüterkauf bei einer kaufrechtlichen Absatzkette mit einem Verbraucher am Ende die Relativität der einzelnen Schuldvertragsverhältnisse durchbrochen zu Gunsten der Sicherstellung eines bis zum verantwortlichen Verursacher eines Mangels zurücklaufenden Regresses. Technisch wurde dieser sowohl durch eigenständige regressrechtliche Aufwendungsersatzansprüche gegen den jeweiligen Vorlieferanten aus § 478 Abs. 2, Abs. 5 BGB a.F. bewirkt als auch durch in §§ 478, 479 BGB a.F. angeordnete Erleichterungen der Geltendmachung der allgemeinen vertraglichen Mängelrechte des Letztverkäufers bzw. seiner Vorlieferanten nach § 437 BGB.
2. Regresslücken nach altem Recht
§§ 478, 479 BGB a.F. gewährleisteten allerdings keinen lückenlosen Regress. Zum einen waren die Vorschriften dann nicht anwendbar, wenn am Ende der Kette kein Verbraucher stand. Zum anderen versagte vor allem der selbstständige Regressanspruch nach § 478 Abs. 2 BGB a.F. dann, wenn das letzte Vertragsverhältnis in der Absatzkette ein Werkvertrag war. Denn dann fehlte es an Aufwendungen, die der Letztverkäufer im Verhältnis zum Verbraucher „nach § 439 Abs. 2 BGB“ zu tragen hatte.
3. Wesentliche Neuerungen durch das BauvertrRefG
Die für den Regress in der Absatzkette bedeutsamsten Änderungen ergeben sich aus dem Zusammenwirken zweier Neuerungen: Erstens der Ausdehnung der nunmehr in §§ 445a und b BGB n.F. (früher: §§ 478, 479 BGB a.F.) enthaltenen, im Übrigen weitestgehend unveränderten Regresserleichterungen auf die unternehmerische Absatzkette. Und zweitens in der in § 439 Abs. 3 BGB n.F. allgemein und damit auch für das Verhältnis B2B angeordneten grundsätzlichen Erstreckung der kaufrechtlichen Nacherfüllung auf Aufwendungen für den Ausbau bzw. für das Entfernen der mangelhaften Sache und den Einbau bzw. das Anbringen eines mangelfreien Gutes. Auf diese Weise werden ursprünglich werkvertragliche Nacherfüllungsaufwendungen gleichsam in kaufrechtliche umgewandelt und damit neuerdings der Anwendung der nunmehr in §§ 445a und b BGB n.F. geregelten Regresserleichterungen unterworfen. Insbesondere wird im Rahmen des selbstständigen Regressanspruches nach § 445a Abs. 1 BGB n.F. (früher: § 478 Abs. 2 BGB a.F.) die grundsätzliche Rückleitung solcher ursprünglich werkvertraglichen Nacherfüllungsaufwendungen durch die gesamte Absatzkette ermöglicht und zwar unabhängig davon, ob der Werkbesteller am Ende der Kette ein Unternehmen oder ein Verbraucher ist.
4. Regressumfang und Regresslücken
Die Reichweite des Aufwendungsersatzes nach § 439 Abs. 3 BGB n.F. und damit auch die regressweise Rückleitung solcher Aufwendungen durch die Absatzkette insbesondere im Wege des § 445a Abs. 1, Abs. 3 BGB n.F. (früher: § 478 Abs. 2, Abs. 5 BGB a.F.) ist gesetzlich in erheblichem Maße begrenzt durch das Recht des Verkäufers, sich nach § 439 Abs. 4 BGB n.F. auf eine Unverhältnismäßigkeit zu berufen bzw. – bei absoluter Unverhältnismäßigkeit im Verhältnis zum Verbraucher-Käufer – den Aufwendungsersatz nach § 475 Abs. 4 S. 2 BGB n.F. auf einen angemessenen Betrag zu beschränken. Weil sich dabei die Grenze der Unverhältnismäßigkeit jeweils kaufrechtlich und damit maßgeblich (auch) nach dem Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand bestimmt, die Kosten für den Aus- und Einbau aber nicht selten ein Vielfaches davon betragen dürften, wird insbesondere bei niedrigpreisigem Baumaterial häufig Unverhältnismäßigkeit zu bejahen sein. Damit bleiben vor allem für den Bauhandwerker am Ende der Absatzkette erhebliche Regresslücken. Denn die ihm selbst gegenüber dem Werkbesteller zur Seite stehende Unverhältnismäßigkeit der werkvertraglichen Nacherfüllung nach § 635 Abs. 3 BGB orientiert sich nicht am Wert der gekauften mangelhaften Baumaterialien, sondern am Interesse des Bestellers an der einwandfreien Werkleistung. Deshalb wird der Bauhandwerker nicht selten dem Werkbesteller gegenüber verpflichtet sein, mangelhaftes Baumaterial im Wege des Aus- und Einbaus zu ersetzen, obwohl sein eigener Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 439 Abs. 3 BGB n.F. gegenüber dem Letztverkäufer an der Unverhältnismäßigkeit der Aus- und Einbaukosten scheitert.