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Änderung des Vertrags, Anordnungsrecht des Bestellers und die korrespondierende Vergütung – die Diff

  • Dr. Bernhard von Kiedrowski
  • 13. März 2018
  • 5 Min. Lesezeit

Dr. Bernhard von Kiedrowski

Dieser Kurzbeitrag wurde im Rahmen der 17. Baurechtstage des eid vom 22. bis 23. März 2018 veröffentlicht. Der ausführliche Beitrag erschien im Juli 2018 in der Schriftenreihe Partner im Gespräch Band Nr. 106.

Die nachfolgenden Erörterungen befassen sich mit dem Inhalt und den Voraussetzungen des Anordnungsrechts des Bestellers nach § 650 b BGB sowie folgenden Problembereichen:

A. „Zugang des Änderungsbegehrens“ als Beginn der 30tägigen Verhandlungsphase

Der Beginn der 30tägigen Verhandlungsphase, deren Ablauf Voraussetzung für das insoweit zeitlich bedingte Anordnungsrecht des Bestellers ist, knüpft nach § 650b Abs. 2 BGB beim Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer an. Damit stellt sich die Frage, welche inhaltlichen Anforderungen an das (Änderungs-)Begehren des Bestellers im Sinne des § 650b Abs. 1 S. 1 BGB – insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis der Zurverfügungstellung von Planungsunterlagen – zu stellen sind.

Zunächst setzt ein Änderungsbegehren inhaltlich voraus, dass die vom Besteller begehrte Änderung der vertraglich vereinbarten Durchführungsvorgabe (also des Bausolls) hinreichend bestimmbar definiert worden ist.

Die Zurverfügungstellung einer Planung kann, wenn der Unternehmer die Planung benötigt, um das (Nachtrags-)Angebot nach § 650b Abs. 1 BGB erstellen zu können, Voraussetzung für den Beginn der 30tägigen Verhandlungsphase und die Entstehung des Anordnungsrechts nach deren Ablauf sein.

So sind Planungsunterlagen dann für den Unternehmer zur Angebotserstellung erforderlich, wenn der Besteller das Änderungsbegehren auf die Erbringung einer funktional beschriebenen Änderung bezieht, und der Unternehmer in Planungsunterlagen enthaltene Informationen über die vor Ort vorliegenden (konstruktiven) Gegebenheiten benötigt, um die Änderungsleistung bestimmen und kalkulieren zu können. Wird das Änderungsbegehren dem entgegen vom Besteller inhaltlich auf der Grundlage eines (geänderten/neuen) Leistungsverzeichnisses definiert, führt dies dazu, dass der Unternehmer im Regelfall ohne weitergehende Planungsunterlagen in der Lage sein wird, ein Nachtragsangebot erstellen zu können.

Weiter ist im Hinblick auf die inhaltliche Qualität (und Tiefe) von Planungsunterlagen zu unterscheiden, ob diese für den Unternehmer zur Erstellung des (Nachtrags-)Angebotes in der „Einvernehmensphase“ erforderlich sind, oder aber vom Unternehmer zur späteren Bauausführung benötigt werden. So ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dem Besteller bereits zum Beginn der „Einvernehmensphase“, also zu einer Zeit, wo der Besteller in Unkenntnis der Kostenfrage noch keine verbindliche Entscheidung über die Vertragsänderung getroffen hat, eine Obliegenheit zur Vorlage einer vollständigen Ausführungs- und Detailplanung aufgeben wollte. Liegt dem Unternehmer hingegen zum maßgebenden Zeitpunkt der späteren Leistungsausführung eine hierzu erforderliche (Ausführungs-/Detail-)Planung nicht vor, steht dem Unternehmer im Hinblick auf die Pflicht zur Bauausführung ein Leistungsverweigerungsrecht zu.

B. Zur Bauverpflichtung des Unternehmers während der 30tägigen Einvernehmensphase

Nach dem zwischen den Parteien bestehenden Bauvertrag hat der Unternehmer die vertraglich vereinbarte Leistung innerhalb der vereinbarten Leistungszeit oder nach Maßgabe von § 271 BGB auszuführen. Solange es noch nicht zu einem Einvernehmen über die (Vertrags-)Änderung nach § 650b Abs. 1 BGB oder eine vom Besteller angeordnete (Vertrags-)Änderung nach Abs. 2 BGB gekommen ist, der Besteller also noch keine verbindliche Entscheidung zur Änderung des bestehenden Vertragsverhältnisses getroffen hat, besteht die Verpflichtung des Unternehmers zur Erfüllung des bestehenden Bauvertrages fort. Als Folge dessen hat der Unternehmer die vertraglich vereinbarten Bauarbeiten fortzuführen, da er andernfalls für den Fall, dass sich der Besteller nicht zu einer Vertragsänderung entscheidet, in Ermangelung einer erfolgten Vertragsänderung in (Leistung-)Verzug geraten würde.

Dem Besteller steht das Recht zu, einen (partiellen) Baustopp anordnen zu können. Als Folge dessen ist der Unternehmer im Hinblick auf die Pflicht zur Leistungsausführung behindert. Dies kann dann – mit allen daran geknüpften Folgen – zu einer Verlängerung der Ausführungsfrist führen. Weiter steht für den Unternehmer ein bauzeitbedingter Mehrvergütungsanspruch aus § 642 BGB bezogen auf solche ihm während der Dauer des Annahmeverzuges entstandenen Vorhaltekosten für die Bereitstellung von Kapital und Arbeitskraft im Raum.

C. Wie hat der Unternehmer das Nachtragsangebot im Rahmen des § 650b Abs. 1 BGB zu erstellen?

Das vom Unternehmer in der „Einvernehmensphase“ vorzulegende (Nachtrags-)Angebot muss sich nicht an den Regelungen zur Vergütungsermittlung nach § 650c Abs. 1 oder 2 BGB orientieren. So ist zwischen der vor Vertragsänderung liegenden Angebotserstellung in der „Einvernehmensphase“ einerseits und der nach Bauausführung vorzunehmenden Vergütungsermittlung (bei fehlender Nachtragsvereinbarung) andererseits zu unterscheiden. Im Zeitpunkt der „Einvernehmensphase“, also vor der Vertragsänderung und (geänderten) Bauausführung, kann der Unternehmer keine Aussage über die in der Zukunft liegende Baudurchführung und die tatsächlich erforderlichen (= entstandenen) Kosten der Leistung N (neu) sowie etwaige Kostenfolgen aus Bauzeitverlängerungen machen. Da er das Risiko übernimmt, eine in der Zukunft zu erbringende Leistung (vor dem Hintergrund möglicher Kostensteigerungen für Personal-, Material-, Geräte- sowie Baustellengemeinkosten) für den Angebotspreis erbringen zu müssen, ist er bei der Kalkulation des Angebotspreises (bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit) frei.

D. Wirksamkeit von Abweichungen zu § 650b BGB in den AGB des Bestellers (konkret: Wirksamkeit des „sofortigen“ Anordnungsrechts des Auftraggebers nach § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B bei nicht im Ganzen vereinbarter VOB/B)

Während das in § 650b Abs. 2 S. 1 BGB geregelte Anordnungsrecht des Bestellers einer Bedingung unterliegt, da der Besteller nur dann zur Anordnung berechtigt ist, wenn die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung nach Absatz 1 erzielt haben, kann der Auftraggeber nach § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B Leistungsänderungen bzw. zusätzliche Leistungen sofort anordnen.

Auch dann wenn der Auftraggeber Verwender der VOB/B ist und die VOB/B nicht im Ganzen vereinbart worden ist, halten die zeitlich unbedingten Anordnungsrechte (wobei es die Ausführungen ausschließlich auf die Frage der Abbedingung der zeitlichen Bedingung beziehen) der VOB/B einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.

Die Regelung zum zeitlich bedingten Anordnungsrecht in § 650b Abs. 2 S. 1 BGB begründet kein „gesetzliches Leitbild“ im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Zur Begründung ist in erster Linie auf den Gang des Gesetzgebungsverfahrens und den Umstand zu verweisen, dass die 30-Tage-Regelung (auf Vorschlag des Bundesrates) nur deshalb in das Gesetz aufgenommen worden ist, um die „Einvernehmensphase“ zeitlich zu begrenzen. Gesetzliches Leitbild von § 650b Abs. 2 S. 1 BGB ist aber nicht, mit der Regelung zum zeitlich bedingten Anordnungsrecht Baustillstände (mit den damit verbundenen Kostenfolgen) herbeizuführen.

Auch spricht alles dafür, dass durch § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B keine unangemessene Benachteiligung für den Auftragnehmer nach § 307 Abs. 1 BGB begründet wird. Zur Begründung ist darauf abzustellen, dass das berechtigte Interesse des Auftraggebers im Hinblick auf den Erhalt eines unbedingten sofortigen Anordnungsrechts ausgesprochen hoch zu bewerten ist. Müsste ein Auftraggeber nämlich bei jeder zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolges notwendigen zusätzlichen Leistung immer erst die 30-Tagefrist abwarten, würde dies die Gefahr (fortlaufend wiederkehrender) Baustillstände begründen und hätte für den Auftraggeber aufgrund damit einhergehender Stillstandszeiten und -kosten für andere Gewerke erhebliche finanziellen Folgen. Weiter kann das durch ein sofortiges Anordnungsrecht betroffene schutzwürdige Interesse des Auftragnehmers nur darin zu sehen sein, die Chance einer zeitnahen Vereinbarung über die Nachtragsvergütung zu verlieren. Geht es aber nur um „die Chance“ einer zeitnahen Vereinbarung über die Nachtragsvergütung, auf die der Auftragnehmer auch bei § 650b BGB keinen Anspruch hat, müssen die Belange des Auftragnehmers im Zuge einer Interessenabwägung hinter den besonders schutzwerten Interessen des Auftraggebers zurücktreten. Dies gilt dabei auch vor dem Hintergrund der Vergütungsregelungen in § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B und dem von der VOB/B verfolgten Ansatz, dass die Parteien die Vereinbarung über die Vergütungsanpassung (gleichsam) vor der Bauausführung treffen sollen.


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