top of page

Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf

  • Felix Schnellbacher, eid
  • 28. Juni 2018
  • 4 Min. Lesezeit

Dieses Zitat wird Martin Luther zugeschrieben. Im vor dem BGH verhandelten Fall ging es um alle drei Aspekte. Vor allem aber ging es um die Abgrenzung von Baumaßnahmen im Sonder- und im Gemeinschaftseigentum. Und um die Frage, welche Standards bei diesen Baumaßnahmen zu gelten haben: genügen die, die bei der Errichtung des Gebäudes galten? Oder müssen es die aktuellen sein?

Besprechung des BGH-Urteils vom 16.3.2018, Aktenzeichen V ZR 276/16 Wie alle Gemeinschaften sind auch Wohnungseigentümergemeinschaften ein Zusammenschluss unterschiedlicher Menschen. Diese Unterschiedlichkeit beschäftigt die Gerichte zum Glück eher selten. Oft gibt es aber Streit, wenn ein Wohnungseigentümer baut bzw. saniert und dabei – gewollt oder ungewollt – in das Gemeinschaftseigentum eingegriffen wird.

Dies ist ein Auszug aus Heft 6/2018 der ZWE, Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht, in der Rubrik "BGH für Verwalter". Ein kostenloses Probeabonnement der Zeitschrift über drei Monate oder ein reguläres Abonnement erhalten Sie hier. Teilnehmende an unseren Fachgesprächen zum WEG in Fischen erhalten im Folgejahr ein ZWE-Abonnement.

Im hier zu besprechenden Fall saniert der beklagte Wohnungseigentümer, er sei hier Emsig genannt, 2012 das Bad seiner Wohnung. Diese ist Teil einer 1990 fertig gestellten Anlage. Er lässt den Estrich vollständig entfernen und eine Fußbodenheizung einbauen. Er erneuert den Fliesenbelag sowie die Sanitärobjekte und verlegt eine Steigleitung unter Putz. Unter Emsigs Wohnung ist die des Klägers, er soll hier Leise heißen. Leise moniert, der aus Emsigs Bad kommende Trittschall erreiche seit der Sanierung Werte von 52 dB (diagonale Messung) bzw. 57 dB (vertikale Messung). Das ist Leise zu laut, er fordert einen besseren Schallschutz von Emsig.

Viel Lärm, … Die Gemeinschaftsordnung der Wohnanlage enthält keine Regelungen zum Schallschutz. Also stützt Leise seine Klage auf § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von seiner Wohnung und dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entsteht. Weil Emsig dagegen verstoße, sei die Trittschall-Lärmbelästigung eine Störung im Sinne des § 1004 I BGB. Nach dieser Vorschrift kann ein Eigentümer von einem Störer die Beseitigung einer Störung verlangen. Das Amtsgericht verurteilt Emsig zur Wiederherstellung des schwimmenden Estrichs und einer Trittschalldämmung und weist die Klage ansonsten ab. Damit ist Leise nicht einverstanden. Vor dem Landgericht will er erreichen, dass Emsig weitere, konkret benannte Schallschutzmaßnahmen vornimmt. Emsig solle jedenfalls dazu verurteilt werden, dass der Trittschall aus seinem Bad in Leises Wohnung nur noch leise zu hören ist. Am liebsten wären ihm dafür die Normen, die für Neubauten der Jahre 2012 gelten und einen so genannten Trittschallpegel von bis zu 37 bzw. bis zu 44 dB vorschreiben. Hilfsweise sollte Emsig jedenfalls dazu verurteilt werden, die Schallschutz-Anforderung (wieder) zu erfüllen, die bei der Errichtung des Gebäudes galten und im konkreten Fall einen Trittschallpegel von bis zu 46 dB festlegen. ... weniger Lärm … Das Landgericht verurteilt Emsig dazu, durch „geeignete bauliche Maßnahmen“ die Schallschutzstandards einzuhalten, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes galten. Die anderen Anträge von Leise, also die zu konkreten Maßnahmen oder zu einem weitergehenden Schallschutz, weist es ab. Emsig erkennt das Urteil an, Leise nicht: er geht vor den BGH. Der BGH hatte zunächst zu klären, ob Emsig „nur“ an seinem Sondereigentum Veränderungen vorgenommen hatte, oder ob er auch in gemeinschaftliches Eigentum eingriff. Gerichte gehen davon aus, dass der so genannte Oberbodenbelag dem jeweiligen Eigentümer gehört, die Trittschalldämmung jedoch gemeinschaftliches Eigentum ist. Ob Estrich Sonder- oder gemeinschaftliches Eigentum ist, ist umstritten. Der BGH ließ die Frage im vorliegenden Fall offen, weil davon auszugehen war, dass der Estrich auch der Dämmung und der Isolierung gedient habe. Damit ist er gemeinschaftliches Eigentum. Er kann nicht beseitigt werden, ohne dass anderen Wohnungseigentümern ein Nachteil entsteht. Wie so oft im Wohnungseigentumsrecht ist also auch hier die Frage „Sonder- oder Gemeinschaftliches Eigentum?“ wichtig. Ein Wohnungseigentümer kann eine Renovierung darauf beschränken, nur sein Sondereigentum zu verändern, also beispielsweise Teppichboden durch Laminat zu ersetzen. Der BGH hat für diesen Fall wiederholt festgestellt, dass dann „nur“ die Schallschutzvorschriften einzuhalten sind, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes galten. Hier hatte Emsig aber auch ins Gemeinschaftseigentum eingegriffen, als er den Estrich entfernte. Dazu hätten nach § 22 I WEG die davon betroffenen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen müssen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 22 II WEG vorliegen. Einen Beschluss, der die Modernisierung gestattet, gab es nicht. Auch eine Zustimmung von Leise lag hier nicht vor, weshalb sich die Frage stellt, in welchem Ausmaß dieser Trittschall hinnehmen muss. Jedenfalls bei erheblichen Eingriffen ins gemeinschaftliche Eigentum haben die Gerichte bislang entschieden, dass die „aktuellen“, zum Zeitpunkt der Baumaßnahme gelteden Standards einzuhalten sind. Für das Mietrecht hat das auch der BGH so entschieden, als ein Wohngebäude um ein komplettes Stockwerk aufgestockt wurde: der Mieter in der jetzt nicht mehr obersten Wohnung hatte Anspruch auf das „aktuelle“ Schutzniveau. … und dabei bleibt es. Grundsätzlich, so meint der BGH jetzt, gelte das auch im Wohnungseigentumsrecht. Allerdings könne nicht jeder Eingriff in gemeinschaftliches Eigentum dazu führen, dass die aktuell gültigen technischen Vorschriften für Neubauten einzuhalten sind. Zwar müsse der Schallschutz vor allem durch Gemeinschaftseigentum gewährleistet werden. Werde in dieses eingegriffen, müsse zumindest das bisherige Schallschutzniveau im Prinzip erhalten und dürfe jedenfalls nicht wesentlich verschlechtert werden. Das Gesetz sehe aber nicht vor, dass Wohnungseigentümer bei einem Eingriff in das Gemeinschaftseigentum verpflichtet seien, dieses bei einer späteren Erhöhung des in technischen Regelwerken vorgesehenen Schutzniveaus durch nachträgliche Maßnahmen zu verbessern. Anders und prägnanter ausgedrückt: Wer in Gemeinschaftseigentum eingreift, ist zur Wiederherstellung, nicht aber zur Ertüchtigung verpflichtet, so der BGH. Anders sei es nur, wenn in erheblichem Umfang in die Gebäudesubstanz eingegriffen werde. In diesem Fall unterstützt der BGH die Wohnungseigentümer, die erwarten, dass die aktuell geltenden Vorschriften einzuhalten sind. Allerdings gelte das nur für grundlegende Änderungen des gemeinschaftlichen Eigentums. Der BGH nennt als Beispiel, in Anlehnung an die Judikatur zum Mietrecht, den Dachgeschossausbau. Dagegen könnten Wohnungseigentümer bei Sanierungsmaßnahmen, die der üblichen Instandsetzung oder (ggf. zugleich) der Modernisierung des Sondereigentums dienten, grundsätzlich kein verbessertes Schallschutzniveau beanspruchen. Und eine solch typische Sanierungsmaßnahme nimmt der BGH „in aller Regel“ auch dann an, wenn bei der Sanierung eines vorhandenen Badezimmers in den Estrich eingegriffen werde. So lag der Fall hier. Genau so gut wie vorher, nicht besser Leise hatte vor dem BGH also keinen Erfolg. Emsig musste lediglich das Schallschutzniveau wieder herstellen, das bei der Errichtung des Gebäudes einzuhalten war. Aber dazu hatte er sich ja schon bereit erklärt. Deshalb musste Leise die Kosten des Verfahrens vor dem BGH auch allein übernehmen.


bottom of page