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Gründerzeit - mit Feuchtigkeit

  • Felix Schnellbacher, eid
  • 3. Sept. 2018
  • 6 Min. Lesezeit

Immobilien aus der so genannten Gründerzeit um die vorletzte Jahrhundertwende sind beliebt. Diese Häuser haben meist „ein Gesicht“. Doch auch die Zeit hat einen Zahn, und manchmal ist ihre Aussprache ziemlich feucht. Der BGH hatte zu entscheiden, was bei Schäden am Gemeinschaftseigentum gilt, wenn sich nicht alle Eigentümer gleichermaßen betroffen glauben, aber hohe Summen im Spiel sind.

Besprechung des BGH-Urteils vom 4. Mai 2018, Az. V ZR 203/17

Als das Haus, um das es im Fall ging, 1890 fertiggestellt wurde, gab es noch kein Wohnungseigentum und entsprechend kein WEG. Vielleicht wäre der Fall auch nicht vor den BGH gekommen, wenn nicht in der Zwischenzeit das Wohnungseigentum „erfunden“ worden wäre. Aber der Reihe nach.

Dies ist ein Auszug aus Heft 9/2018 der ZWE, Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht, in der Rubrik "BGH für Verwalter". Ein kostenloses Probeabonnement der Zeitschrift über drei Monate oder ein reguläres Abonnement erhalten Sie hier. Teilnehmende an unseren Fachgesprächen zum WEG in Fischen erhalten im Folgejahr ein ZWE-Abonnement.

1986 entstand in dem Haus eine Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Im Erdgeschoss und in den darüber liegenden Stockwerken entstand zwölf Mal Wohnungseigentum, in drei Einheiten im Souterrain jeweils Teileigentum zur gewerblichen Nutzung. Darin waren eine Naturheilpraxis, eine Künstleragentur und eine Kommunikationsagentur. Die Eigentümer dieser drei Einheiten waren die Kläger des Falles.

Ist der Keller ziemlich feucht…

In diesen Souterrain-Räumen traten nämlich etwa ab 2010 Durchfeuchtungsschäden auf. Die Eigentümergemeinschaft gab zuerst ein Gutachten bei einem Ingenieurbüro, dann bei einem Architekten in Auftrag. Beide kamen zum selben Ergebnis: eine fehlende außenseitige Sockelabdichtung, eine fehlende Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze seien für die Feuchtigkeitsschäden verantwortlich. Ein für die Eigentümergemeinschaft missliches, weil „sehr teures“ Ergebnis. Die Kläger schätzten die Kosten für die Sanierung auf 300 000 EUR. Eine gleichmäßige Verteilung der Miteigentumsanteile angenommen hätte das eine Sonderumlage von 20 000 EUR für jeden Eigentümer bedeutet. Einer der Gutachter hatte ein alternatives, deutlich preiswerteres „Minimalprogramm“ vorgeschlagen. Das wurde umgesetzt, zeitigte jedoch keinen Erfolg: die Souterrain-Einheiten blieben feucht.

Auf einer Eigentümerversammlung im März 2015 hatten die Teileigentümer beantragt, die Gemeinschaft solle die Feuchtigkeitsschäden nach den Regeln der Technik gemäß der Empfehlungen der beiden Gutachter beseitigen. Anschließend solle sie eine Horizontalsperre ins Mauerwerk einbringen und eine Vertikalsperre auf die erdberührenden Außenwände aufbringen, um solche Schäden künftig zu vermeiden. Beide Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt. Stattdessen beschloss die Versammlung mit Mehrheit, ein drittes Gutachten einzuholen. Es sollte alternative (Subtext: nicht so teure) Sanierungsmöglichkeiten ermitteln. Zusätzlich sollte es klären, ob der Trocknungszustand der Souterrainräume der Baualtersklasse entspricht, anders ausgedrückt: von den Teileigentümern eben hinzunehmen sei.

… ist die Stimmung schnell entfleucht.

Die Teileigentümer gingen vor Gericht: die restlichen Miteigentümer sollten zur Zustimmung zu ihren beiden Anträgen verurteilt werden. Außerdem fochten die Kläger den Beschluss an, ein drittes Gutachten in Auftrag zu geben. Das Amtsgericht hob diesen Beschluss auf, wies die Klage ansonsten aber ab. Das Landgericht, an das sich beide Seiten wandten, hielt auch die ersten beiden ablehnenden Beschlüsse der Versammlung für ungültig und verurteilte die Beklagten dazu, den Anträgen der Kläger zuzustimmen. Die Beklagten gingen vor den BGH.

Der BGH verwies zunächst darauf, dass jeder Miteigentümer nach § 21 IV WEG eine ordnungsmäßige Verwaltung verlangen kann. Dazu gehört nach § 21 V Nr. 2 WEG insbesondere die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums. Hier haben die Wohnungseigentümer allerdings einen Gestaltungsspielraum. Sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und grundsätzlich auch auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Beispielsweise können sie nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückstellen. Wenn allerdings eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich sei, entspreche nur deren Vornahme ordnungsmäßiger Verwaltung, so der BGH. Dann habe auch der einzelne Eigentümer einen Anspruch auf die Durchführung.

Um zu klären, ob ein solcher Fall vorlag, schaute sich der BGH zunächst die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung an. Wenn die baulichen Mängel derart gravierend seien, dass eine Nutzung entsprechend der Vorgaben dieser beiden Regelwerke erheblich beeinträchtigt werde oder sogar ausgeschlossen sei, sei die sofortige Instandsetzung zwingend und habe der einzelne Eigentümer einen Anspruch darauf. Das gelte auch dann, wenn es sich um anfängliche Mängel des Gemeinschaftseigentums handele, so der BGH.

Im vorliegenden Fall waren die Außen- und Innenwände der drei Teileigentumseinheiten im Fußpunkt bis zur Höhe von 1 m massiv durchfeuchtet. Dies beeinträchtige auch die zweckentsprechende Nutzung massiv, meinte der BGH. Selbst wenn es sich „nur“ um Teileigentum handele, in diesen Räumen also nicht gewohnt werde, müsse es grundsätzlich dazu geeignet sein, als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen. Damit sei eine massive Durchfeuchtung nicht vereinbar. Dass gesundheitsschädlicher Schimmel bislang nicht auftrat, sei unwesentlich.

Bei den Räumlichkeiten handele es sich um das Souterrain eines alten Hauses. Für die Beurteilung der Frage, welchen Zustand das Gemeinschaftseigentum haben müsse, gelten deshalb grundsätzlich auch die Baustandards, die bei der Errichtung des Gebäudes galten. Allerdings gehe es dabei um die Bestimmung des „Sollzustandes“, der erzielt oder eben erhalten werden müsse. Es war anzunehmen, dass die Räume kurz nach der Errichtung 1890 „trocken“ waren. Gravierende bauliche Schäden müssten nicht einfach deshalb hingenommen werden, weil es sich eben um ein altes Haus handele, so der BGH. Jedenfalls die nach der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Nutzung müsse möglich sein – und bleiben.

Auch gemeinschaftliches Eigentum verpflichtet

Der BGH wandte sich dann der Frage zu, ob diese teure Sanierung den beklagten Miteigentümern auch zugemutet werden könne. Die Beklagten hatten Fälle ins Feld geführt, in denen die Gemeinschaft an Stelle der Sanierung die Teilungserklärung und den Aufteilungsplan so verändert hatte, dass beide der tatsächlichen Bauausführung entsprachen. Der BGH wies darauf hin, dass diese Fälle Abweichungen zwischen dem Plan und der tatsächlichen Bauausführung betroffen hätten. So liege es hier aber nicht. Stattdessen sei der Fall vergleichbar mit Fällen, in denen aufgrund öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum Maßnahmen ergriffen werden müssen (etwa ein Stellplatznachweis oder ein zweiter Rettungsweg), damit die Eigentumseinheit zum vorgesehenen Zweck nutzbar bleibt. Dies lasse sich durch Anpassung einer Teilungserklärung nicht beheben.

An dieser Stelle folgt im Urteil ein deutlich lesbares Kopfschütteln der Richter. Sie schreiben sinngemäß: selbst wenn die Beklagten wegen der Durchfeuchtungen die Umwandlung der Teileigentumseinheiten in „Keller“ beschlossen hätten, um den Kosten einer Sanierung zu entgehen, wäre ein so massiver Eingriff in das Eigentumsrecht der Teileigentümer nur ausnahmsweise und gegen Zahlung einer Entschädigung in Betracht gekommen. Darum ging es aber nicht. Es handele sich nicht um einen Ausnahmefall, die Schäden könnten beseitigt und ihr Wiederauftreten durch Sanierung verhindert werden. Wenn der Erhalt der Gebäudesubstanz gefährdet sei, müsse ohnehin saniert werden. Das rücke auch die auf den ersten Blick hohen Kosten ins rechte Licht, meinte der BGH. Es dürfte in der Tat auch Nicht-Fachleuten begreiflich sein, dass jahrelang massiv durchfeuchtete Kelleraußenwände irgendwann die Stabilität des gesamten Hauses gefährden.

Opfergrenze für Wohnungseigentümer?

Die beklagten Wohnungseigentümer mussten also zahlen – eine Sonderumlage, wie alle anderen auch. Der BGH ging den Weg der Beschlussersetzung nach §§ 21 VIII, 43 WEG: Das Gericht verurteilte die Beklagten nicht zur Zustimmung zu einem Beschluss. Es nahm qua Urteil den Beschluss gleich selbst vor, weil die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht getroffen hatten.

Für die Praxis stellt sich in diesem Zusammenhang aber eine sehr wichtige Folgefrage: Ist eine Sonderumlage in deutlich fünfstelliger Höhe auch dann zu zahlen, wenn das Wohnungseigentum die wesentliche oder gar einzige Vermögensposition ist? Nicht alle Wohnungseigentümer sind vermögend und unbegrenzt liquide. In einem ähnlichen Fall hat der BGH bereits 2014 zu dieser Frage Stellung genommen (ZWE 2015, 88, dazu Häublein ZWE 2015, 83). Es gebe keine Opfergrenze, entschied er damals. Das ergebe sich schon im Umkehrschluss aus § 22 II 1 WEG: bei Modernisierungen, die über eine (modernisierende) Instandhaltung hinausgehen und keinen Instandhaltungsbedarf voraussetzen, darf kein Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigt werden. Hier muss also die Leistungsfähigkeit der einzelnen Eigentümer berücksichtigt werden. Ein solcher Passus fehle in § 21 V Nr. 2 WEG. Eine Opfergrenze wäre mit einer Instandhaltungspflicht auch unvereinbar, weil sie bedeuten könnte, dass notwendige Erhaltungsmaßnahmen von Wohnungseigentumsanlagen unterblieben.

Für „arme Wohnungseigentümer“ kommt es noch schlimmer: stimmen sie einer erforderlichen Sanierung des Gemeinschaftseigentums schuldhaft nicht ausdrücklich zu und verzögert sich deshalb diese Sanierung, machen sie sich mit Blick auf den Verzugsschaden schadensersatzpflichtig. Das gilt selbst dann, wenn sie sich „nur“ enthalten haben. Im schon genannten Urteil aus 2014 hat der BGH entschieden, dass diese Haftung den einzelnen Eigentümer trifft bzw. treffen kann. Nur wenn die Umsetzung einer bereits beschlossenen Sanierung sich schuldhaft verzögere, hafte die Gemeinschaft. Auf dieses Urteil hat der BGH jetzt ausdrücklich Bezug genommen.

Augen auf beim Immobilienkauf

Was für „ganze Häuser“ gilt, gilt auch für Wohnungs- oder Teileigentum: mag die Einheit auch noch so schön, gut geschnitten, gut gelegen und gut erreichbar sein: Für die Kosten der Beseitigung von Schäden am Gemeinschaftseigentum müssen alle Eigentümer aufkommen. Selbst wenn sie sehr hoch sind und die Schäden weit weg von der eigenen Wohnung auftreten. Wer sich weigert, spart nichts, sondern macht die Sache oft nur noch teurer. Auf diese Schadensersatzpflicht sollte der Verwalter vor der Abstimmung unbedingt hinweisen, damit die nicht unmittelbar vom Mangel betroffenen Eigentümer ihre Verweigerungshaltung noch einmal überdenken.


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