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Eigennutz durch Sonnenschutz

  • Felix Schnellbacher, eid
  • 29. Nov. 2018
  • 6 Min. Lesezeit

Große, gen Süden gerichtete Fenster sind im Frühjahr oder Herbst besonders schön. Im Sommer wünschen sich die Bewohner dagegen möglichst außen liegenden Sonnenschutz, technisch „Verschattungsanlage“ genannt. Der BGH sollte entscheiden, ob Wohnungseigentümer eine solche nachträglich anbringen dürfen. Besprechung des BGH-Urteils vom 20. Juli 2018, Az. V ZR 56/17 Sie fallen meist nicht sofort ins Auge. Vielleicht waren sie auch einfach vergessen worden, vom Bauträger, der das Gebäude errichtete, von den Käufern, welche die Wohnungen vom Bauträger kauften, womöglich sogar von der Behörde, die den Bauantrag genehmigte. So brachten es die Jalousien dieses Falles bis vor den BGH. Dies ist ein Auszug aus Heft 11/2018 der ZWE, Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht, in der Rubrik "BGH für Verwalter". Ein kostenloses Probeabonnement der Zeitschrift über drei Monate oder ein reguläres Abonnement erhalten Sie hier. Teilnehmende an unseren Fachgesprächen zum WEG in Fischen erhalten im Folgejahr ein ZWE-Abonnement.

Das Gebäude war 2004 aufgrund einer Baugenehmigung errichtet worden. Bestandteil des Bauantrags war auch eine „allgemeine Baubeschreibung“. Dort hieß es ua: „Der großzügig nach Südosten geöffneten Fassade sind Terrassen und Wintergärten vorgelagert, so dass unterschiedlichste Räume in diesen Freibereichen entstehen können. Dazu gibt es im vorgelagerten Stahlrahmen noch Jalousien zur Verschattung.“ Jedoch wurden diese Jalousien nicht eingebaut. Die späteren Kläger, sie seien hier die Sols genannt, kauften ihr Wohnungseigentum im September 2004 vom Bauträger. Im Vertrag wurde auf die Teilungserklärung, die darin enthaltenen Pläne und die Baubeschreibung Bezug genommen. Eine Verschattungsanlage wurde nicht erwähnt. Auf die Baugenehmigung wurde ebenso hingewiesen wie darauf, dass die Käufer eine Kopie davon erhalten könnten. Die Wohnungseigentümer mit den großen, nach Südosten ausgerichteten Fenstern, sie seien hier die Sombras genannt, bemerkten das Fehlen der Jalousien. Daraufhin beschloss die Wohnungseigentümerversammlung im Juni 2012, den betroffenen Eigentümern zu gestatten, an ihren Türen und Fenstern hofseitig fach- und sachgerechte Jalousien, Lamellen und feste Verschattungen zu installieren. Angebote zur technischen Lösung sollten vom Verwalter eingeholt werden. Über die Ausführung sollte nach Angebotsvorlage durch Beschluss entschieden werden. Im September 2013 ließen die Sombras Außenjalousien anbringen. Das gefiel den Sols nicht, sie beklagten eine Verschattung ihrer Wohnung und die Beeinträchtigung der freien Sicht in den Himmel. Ihre Klage auf Beseitigung der Jalousien hatte vor dem Amtsgericht keinen Erfolg, die Sols gingen in Berufung. Anbringen von Außenjalousien als Maßnahme der Erstherstellung Das Landgericht meinte, die Sombras hätten mit den Jalousien eine auf Dauer angelegte, gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, also eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 I WEG, vorgenommen. Einen dies gestattenden Eigentümerbeschluss gebe es nicht. Der Beschluss vom Juni 2012 habe nur eine Vorbereitungsmaßnahme zum Gegenstand gehabt. Allerdings müssten die Sols die Anbringung der Jalousien dulden, weil diese zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Erstzustandes dienten. Dies ergebe sich aus der Allgemeinen Baubeschreibung als Bestandteil des Bauantrags, auf dessen Grundlage die Baugenehmigung erteilt worden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass Teilungserklärung und Aufteilungsplan dazu keine Aussage treffen. Die bauliche Ausstattung lasse sich nämlich regelmäßig nicht abschließend der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan entnehmen. Mit Blick auf die großen Fenster könne aus Sicht eines objektiven Betrachters nicht von einem abschließenden Inhalt ausgegangen werden. Wohnungseigentümer müssten Abweichungen hinnehmen, jedenfalls dann, wenn sie nicht in Widerspruch zur Teilungserklärung stünden. So verhalte es sich hier, weshalb auch das Landgericht die Klage abwies. Die Sols gingen vor den BGH. Der BGH folgte dem Landgericht, aber nur ein kleines Stück. Das Anbringen der Jalousien sei eine das gemeinschaftliche Eigentum betreffende bauliche Veränderung, welche die äußere Gestaltung des Gebäudes verändere (§ 5 I WEG). Bei einem Verstoß gegen die in § 22 I iVm § 14 Nr. 1 WEG geregelten Pflichten könnten die Sols auch die Beseitigung der Störung nach § 15 III WEG und nach § 1004 I BGB verlangen. Es liege aber keine bauliche Veränderung vor, wenn die Maßnahme der erstmaligen plangerechten Herstellung des Gemeinschaftseigentums diene. Unter „Instandsetzung“ sei nämlich auch die erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu verstehen, so dass jeder Wohnungseigentümer nach § 21 IV, V Nr. 2 WEG einen Anspruch auf planmäßige (Erst-)Herstellung des Gemeinschaftseigentums habe. Allerdings reichten dem BGH die Feststellungen des Landgerichts nicht aus um dessen Annahme, die Jalousien gehörten zur ordnungsgemäßen Erstherstellung, zu stützen. Öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Anbringen von Jalousien? Was ordnungsgemäße Erstherstellung des Gemeinschaftseigentums sei, bestimme in erster Linie der Teilungsvertrag (§ 3 WEG) bzw. die Teilungserklärung (§ 8 WEG) in Verbindung mit dem gemäß § 7 IV Nr. 1 WEG in Bezug genommenen Aufteilungsplan. Dort waren die Jalousien aber nicht erwähnt. Doch, so der BGH weiter, könne das Anbringen der Jalousien eventuell aus einem anderen Grund ordnungsgemäß und daher zu dulden sein: zur erstmaligen Herstellung des Gemeinschaftseigentums gehöre auch die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen. Hierzu zählen etwa zweite Rettungswege und Stellplatzverpflichtungen. Aber war das Anbringen von Jalousien hier nach dem Baurecht vorgeschrieben, zB durch das Gesetz oder eine Auflage der Behörde in der Baugenehmigung? Die eingangs genannte „Allgemeine Baubeschreibung“ war lediglich Teil des Bauantrags, aber keine Vorgabe der Behörde. Eine öffentlich-rechtliche Pflicht könnte sich allerdings aus § 3 IV EnEV (2001) ergeben, die einen sommerlichen Wärmeschutz für Gebäude vorschreibt, deren Fensterflächen mehr als 30 Prozent der Fassade ausmachten. Ob das im vorliegenden Fall zutrifft, hatten die Vorinstanzen nicht festgestellt. Ausstattungsmerkmale der Baubeschreibung und Erstherstellung Höchstrichterlich noch nicht geklärt und hoch kontrovers ist, ob und wenn ja bis wann und inwieweit Wohnungseigentümer über Teilungsplan und öffentlich-rechtliche Anforderungen hinaus die erstmalige Herstellung bestimmter Ausstattungsmerkmale verlangen können. Dieses Problem tritt auf, wenn die Erwerbsverträge zwischen dem teilenden Eigentümer (häufig einem Bauträger) und den zukünftigen Wohnungseigentümern auf Baubeschreibungen und die dort angeführten Ausstattungsmerkmale verweisen, die im Aufteilungsplan nicht vorkommen. Bejaht man einen Anspruch auf Erstherstellung auch insoweit, hätte das weitreichende Folgen. Ein einzelner Eigentümer könnte dann nicht nur die Duldung eigener Maßnahmen der Erstherstellung verlangen, wie sie hier vorgenommen wurden. Er könnte vielmehr sogar grundsätzlich fordern, dass diese Maßnahmen auf Kosten der Gemeinschaft und von dieser ins Werk gesetzt werden. Der BGH ließ die umstrittene Frage leider unbeantwortet. Welche Rolle spielt der Eigentümerbeschluss? Der BGH fand allerdings noch einen weiteren Grund, der für eine Abweisung der Klage sprechen könnte: Den Beschluss der Eigentümer vom Juni 2012. Anders als die Vorinstanzen sah er darin nicht nur einen Vorbereitungsbeschluss. Vielmehr sei in der Versammlung das „ob“ der Anbringung von Jalousien schon beschlossen worden, im Folgebeschluss habe es nur um das „wie“ gehen sollen. Dass ein solcher „Wie“-Beschluss noch nicht vorliege, helfe den Sols nicht, sie wehrten sich ja bereits (und nur) gegen das „ob“. Zwar müssten dem „Ob“-Beschluss nach § 22 I iVm § 14 Nr. 1 WEG alle Eigentümer zustimmen, was nicht der Fall war. Das mache den Beschluss aber nur anfechtbar, nicht von vornherein nichtig. Ob der Beschluss in Bestandskraft erwuchs oder angefochten wurde, hatten die Vorinstanzen indes nicht festgestellt. Zurück auf „Los“! Der BGH hob das Urteil des Landgerichts daher auf und verwies die Sache zurück: Das Landgericht müsse klären, ob der Beschluss vom Juni 2012 bestandskräftig geworden sei. Andernfalls müsse geprüft werden, ob es eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Einbau der Jalousien gebe. Sollte auch diese verneint werden, weist der BGH noch auf zwei weitere mögliche Gründe für eine Klageabweisung hin. Es könne nämlich sein, dass die Sombras einen Anspruch auf Zustimmung zur baulichen Veränderung (auch) der Sols haben. Ob den Sols durch die Jalousien ein Nachteil „über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus“ iSv § 22 I, § 14 I WEG erwachse, sei nicht geklärt worden. Grundsätzlich sei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung ein Nachteil. Entscheidend ist, so der BGH in ständiger Rechtsprechung, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen könne. Das allein löst das Zustimmungserfordernis aber noch nicht aus. Entscheidend sei, dass der Nachteil das „unvermeidliche Maß“ übersteige, was im Einzelfall auch unter Berücksichtigung baulicher Besonderheiten der Wohnanlage zu ermitteln sei. Im konkreten Fall könnten die großen, südöstlich ausgerichteten Fenster eine Verschattungsanlage und die damit verbundenen Nachteile als unvermeidlich erscheinen lassen. Zusätzlich könnten die Sombras versuchen, mit Blick auf die Jalousien einen Modernisierungsbeschluss herbeizuführen. Dann liege bereits die Schwelle für den Nachteil deutlich höher – die Sols müssten durch eine nach § 22 II WEG beschlossene Modernisierungsmaßnahme unbillig beeinträchtigt sein, um sich mit Erfolg wehren zu können. Unbillig sei eine Beeinträchtigung, wenn sie bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der Modernisierung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfe. Jalousie vielleicht geschlossen – Frage weiter offen Die Entscheidung des BGH gibt Auskunft über viele wichtige Fragen der ordnungsgemäßen Erstherstellung des gemeinschaftlichen Eigentums. Leider hat die Frage „Was ist, wenn Baubeschreibung und Erwerbsvertrag bei den Ausstattungsmerkmalen über die Teilungserklärung hinausgehen?“ nicht dazu gehört.


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