Beschlussdurchführung ohne Wenn und Aber (BGH für Verwalter)
- Oliver T. Letzner
- 12. Juni 2019
- 5 Min. Lesezeit

Mangelhaft oder schleppend umgesetzte Eigentümerbeschlüsse, insbesondere bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum, führen immer wieder zu Problemen und Beeinträchtigungen der Eigentümer.
Besprechung der BGH-Urteile vom 8.6.2018 – V ZR 125/17 und vom 16.11.2018 – V ZR 171/17
Dies ist ein Auszug aus Heft 6/2019 der ZWE, Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht, in der Rubrik "BGH für Verwalter". Ein kostenloses Probeabonnement der Zeitschrift über drei Monate oder ein reguläres Abonnement erhalten Sie hier. Teilnehmende an unseren Fachgesprächen zum WEG in Fischen erhalten im Folgejahr ein ZWE-Abonnement.
Gleich zweimal hatte der BGH in letzter Zeit Gelegenheit, die Frage zu klären, wer dem geschädigten Eigentümer gegenüber für eine fehlerhafte oder unvollständige Beschlussdurchführung haftet und welche Pflichten den Verwalter in diesem Zusammenhang treffen. Hintergrund der Entscheidungen, die beide in Hamburg spielten, waren jeweils Feuchtigkeitsmängel im Bereich des Gemeinschaftseigentums der jeweiligen Gebäude, welche die im Erdgeschoß und Souterrain gelegenen Wohnungen der klagenden Eigentümer unbewohnbar machten.
Die Eigentümerversammlungen beschlossen die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen, die in beiden Fällen von den hierzu beauftragten Unternehmen aber nicht fachgerecht ausgeführt und daher nicht erfolgreich waren. In den Wohnungen bildeten sich weiterhin feuchte Stellen, wobei sich in einem Fall herausstellte, dass das von der Eigentümergemeinschaft mit der Sanierung beauftragte Unternehmen den ihm erteilten Auftrag sogar nur teilweise ausgeführt hat, wovon der Verwalter auch Kenntnis hatte. Dennoch vergingen beinahe eineinhalb Jahre bis sich die Versammlung erneut mit den Schäden befasste.
Die betroffenen Sondereigentümer zogen in beiden Fällen gegen ihre Gemeinschaften vor Gericht und verlangten Schadensersatz wegen entgangener Miete bzw. Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung und Erstattung von Lagerkosten sowie Gutachterkosten. Sie meinen, die beklagten Gemeinschaften hätten die bestandskräftigen Sanierungsbeschlüsse zu spät durchgeführt und für die mangelhafte und unvollständige Durchführung dieser Beschlüsse durch die beauftragten Handwerker und den Verwalter einzustehen. Selbst wenn man das anders sehe, stehe ihnen dieser Erstattungsanspruch auch aus § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG zu, da ihnen der Schaden im Rahmen der Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums entstanden sei. Der BGH wies beide Klagen in letzter Instanz ab. Mit welcher Begründung?
Wer haftet?
Einer Verpflichtung der Gemeinschaft zum Schadensersatz wegen verspäteter oder fehlerhafter Durchführung der von den Eigentümern gefassten Sanierungsbeschlüsse erteilte der BGH eine Absage. Die hier begangenen Fehler, nämlich die unvollständige und auch mangelhafte Umsetzung der beschlossenen Sanierungsmaßnahmen sowie die eingetretenen Verzögerungen, wurden vom Verwalter und den beauftragten Handwerkern verursacht und nicht von der Gemeinschaft, die lediglich deren Auftraggeberin war. Eine Haftung der Gemeinschaft selbst käme daher nur in Betracht, wenn diese sich die Handlungen des Verwalters bzw. der beauftragen Handwerker zurechnen lassen muss. Eine solche Zurechnung sieht der BGH jedoch nicht und entschied damit eine bislang noch nicht geklärte Streitfrage.
Beschlussdurchführung ist Aufgabe des Verwalters, nicht der Gemeinschaft
Der BGH stellte klar, dass es gemäß § 27 I Nr. 1 WEG das Recht, aber auch die Pflicht des Verwalters ist, die Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen und er deshalb für die vollständige Durchführung beschlossener und beauftragter Sanierungsarbeiten Sorge zu tragen hat. Das gilt insbesondere, wenn sich, wie im vorliegenden Fall, herausstellt, dass Teile des Auftrags nicht oder nur mangelhaft ausgeführt wurden. Der Verwalter hat dabei gefasste Beschlüsse ohne Rücksicht auf Erforderlichkeit und Dringlichkeit des beschlossenen Vorgehens unverzüglich durchzuführen. Ein Ermessen gesteht ihm der BGH dabei nicht zu.
Der BGH hat also die Gemeinschaft als Verband und damit letztlich auch die Eigentümer aus der internen Haftung für mangelnde Beschlussdurchführung entlassen. Während es vor Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft noch die Eigentümer waren, die als Auftraggeber die Verträge mit den Bauunternehmen, Handwerkern und Architekten schlossen und für die der Verwalter handelte, wird diese Rolle heute von der Gemeinschaft als Verband wahrgenommen. Dies betrifft jedoch nur das Außenverhältnis. Im Innenverhältnis ist der Verband nach der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung nicht in die ordnungsmäßige Verwaltung des Gemeinschaftseigentums eingebunden. Er ist somit weder für die Beschlussfassung verantwortlich, da diese durch die Eigentümer in der Versammlung erfolgt, noch hat er die Möglichkeit, auf die Beschlussdurchführung Einfluss zu nehmen.
Der Verband kann insoweit nämlich gar nicht selbst handeln, um die Rechte und Interessen seiner Mitglieder zu wahren und hat deshalb nach der Auffassung des BGH auch keine Beschlussdurchführungspflicht. Diese hat nur der Verwalter und zwar nicht als Organ oder Vertreter der Gemeinschaft, sondern als originäre Pflicht, die dem Verwalter auch nicht entzogen werden darf.
Eine Haftung des Verbands im Innenverhältnis gegenüber seinen Mitgliedern für verspätet oder fehlerhaft durchgeführte Beschlüsse kommt daher nicht in Betracht. Dies hatte der BGH für den Fall, dass eine Beschlussfassung durch die Eigentümer sogar völlig unterblieben ist, bereits mit Urteil vom 17.10.2014 (V ZR 9/14) ebenso klargestellt.
Daher haftet der Verwalter für verspätete oder fehlerhafte Beschlussdurchführung
Der geschädigte Eigentümer kann und muss somit seine Ansprüche direkt gegen den als Vollzugsorgan zuständigen Verwalter richten. Einen vorherigen Beschluss der Eigentümerversammlung benötigt er hierfür nicht. Er kann ihn, notfalls im Klageweg, sofort gegenüber dem Verwalter geltend machen.
Auch die Handwerker, Bauleiter und Architekten haften dem Eigentümer
Auch für ein direktes Vorgehen gegenüber den an den Arbeiten beteiligten Handwerkern, Bauleitern oder Architekten gibt der BGH dem geschädigten Eigentümer freie Fahrt.
Da die Gemeinschaft mit der Durchführung des Sanierungsbeschlusses keine eigenen Pflichten gegenüber den Eigentümern erfüllt und auch keine Möglichkeit zum eigenen Handeln hat, können ihr auch keine Fehler zugerechnet werden, die von den mit der Sanierung Beauftragten verursacht werden. Auch hier hat der betroffene Eigentümer keinen Anspruch gegenüber dem Verband.
Der BGH stellt aber klar, dass es sich bei den von der Gemeinschaft zur Durchführung der Maßnahmen geschlossenen Verträge um Verträge mit Schutzwirkung zugunsten der einzelnen Eigentümer handelt und macht hierdurch den Weg für eine direkte Inanspruchnahme der beauftragten Unternehmen und Personen durch den geschädigten Eigentümer frei. Den Verwalter trifft dabei die Pflicht, den Eigentümer hierbei zu unterstützen, indem er ihm alle zu einer Anspruchsdurchsetzung erforderlichen Informationen zukommen lassen muss.
Was ist mit Ersatz aus § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG?
Zu guter Letzt lehnte der BGH in den entschiedenen Fällen eine Ersatzpflicht der Gemeinschaft aus § 14 Nr. 4 Hs. 2 WEG ab. Nach dieser Norm ist dem Eigentümer der Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass sein Sondereigentum zum Zwecke der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums betreten oder benutzt werden muss. Ob eine schuldhafte Schädigung vorliegt, ist dabei irrelevant.
Hier würde sich ein Ersatzanspruch eines durch die Instandsetzungsmaßnahme geschädigten Eigentümers zwar tatsächlich gegen die Gemeinschaft richten. Voraussetzung wäre aber, dass der Schaden durch das Betreten oder die Benutzung seines Sondereigentums zur Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums verursacht worden wäre. Dies war aber nicht der Fall, denn die Unbewohnbarkeit der Wohnungen und die damit verbundenen Schäden wurden bereits durch die Mängel am Gemeinschaftseigentum verursacht und nicht erst durch die (fehlerhaften und verspäteten) Sanierungsmaßnahmen.
Was bedeutet das für den Verwalter?
Die hier vorliegenden Entscheidungen des BGH sind durch die Betonung der Verwalterpflichten und -verantwortlichkeiten im Rahmen der Beschlussdurchführungen für Verwalter vielleicht nicht angenehm. Sie schaffen jedoch Rechtsklarheit, da die bisher unklaren internen Haftungsverhältnisse zwischen Gemeinschaft, Verwaltung und Eigentümern sowie die Pflichten des Verwalters in diesem Zusammenhang nun geklärt sind. Dabei beschränken sich die Aussagen nicht nur auf Sanierungsbeschlüsse, sondern sind allgemeingültig für sämtliche Beschlussfassungen der Eigentümer.
Den Verwaltern schreibt der BGH zwar deutlich die Pflicht ins Stammbuch, gefasste Beschlüsse unverzüglich und ohne Rücksicht auf Erforderlichkeit und Dringlichkeit durchzuführen, noch nicht einmal ein Ermessen wird ihnen zugestanden; er zeigt jedoch auch gleichzeitig den Weg auf, wie sich der Verwalter in den in der Praxis regelmäßig vorkommenden Zweifelsfällen verhalten und schützen kann: Da die Macht Beschlüsse zu fassen, abzuändern oder aufzuheben bei den Eigentümern liegt, kann und sollte der Verwalter hiervon zur Vermeidung seiner Haftung Gebrauch machen und sich in unklaren Situationen genaue Weisungen durch die Eigentümerversammlung erteilen lassen.