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Mehrfachparker – Mehrfache Auslegung? (BGH für Verwalter)

  • Oliver T. Letzner
  • 18. Sept. 2019
  • 5 Min. Lesezeit

Die in den neunziger Jahren vor allem in Neubauprojekten in den neuen Bundesländern häufig verbauten Mehrfachparker kommen langsam in die Jahre. Probleme mit den Hydraulikanlagen und korrodierenden Fahrblechen führen immer häufiger zur Notwendigkeit der Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen und damit verbunden zu Kopfschmerzen beim Verwalter.

Besprechung des BGH-Urteils vom 22.3.2019 – V ZR 145/18

Dies ist ein Auszug aus Heft 9/2019 der ZWE, Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht, in der Rubrik "BGH für Verwalter". Ein kostenloses Probeabonnement der Zeitschrift über drei Monate oder ein reguläres Abonnement erhalten Sie hier. Teilnehmende an unseren Fachgesprächen zum WEG in Fischen erhalten im Folgejahr ein ZWE-Abonnement.

Um was geht es?

Neben der Frage, in wessen Verantwortungsbereich die Sanierung fällt, führt oft auch die Kostentragungspflicht zu Streit. Enthält dann auch noch die Gemeinschaftsordnung (GO), wie so oft, hierzu keine oder nur unklare und widersprüchliche Regelungen, ist Ärger vorprogrammiert.

Der BGH hatte nun Gelegenheit, sich im Rahmen einer Entscheidung zur Auslegung von Instandsetzungs- und Kostentragungsregelungen in Zusammenhang mit Mehrfachparkern zu äußern. Hintergrund war die Anfechtung des Genehmigungsbeschlusses einer Jahresabrechnung in der entstandene Kosten für die Instandsetzung eines Vierfachparkers gleichmäßig nach Köpfen auf die vier Sondernutzungsberechtigten des fraglichen Mehrfachparkers verteilt wurden.

Die den Beschluss anfechtende Klägerin, der das Sondernutzungsrecht an den beiden oberen Einstellmöglichkeiten des Mehrfachparkers zusteht, war mit dieser Kostenverteilung nicht einverstanden. Da die Reparaturen hauptsächlich die beiden unteren Stellplätze betrafen, war sie der Ansicht, dass die diesbezüglichen Kosten nur von deren Sondernutzungsberechtigten zu zahlen seien. Sie stützte ihre Auffassung dabei auf die Gemeinschaftsordnung, die folgende Regelungen enthält:

§ 7 Instandhaltungspflichten

(2) […] 2

Die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten sind verpflichtet, die dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten bzw. Flächen auf eigene Kosten zu unterhalten und instandzuhalten.

§ 13 Zahlungsverpflichtung des Wohnungseigentümers

1.1

Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Beiträge zur Deckung der laufenden Bewirtschaftungskosten zu leisten:

2

Die Bewirtschaftungskosten bestehen aus: […] c) den Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung, soweit diese gemäß § 7 der Teilungserklärung den Sondereigentümern gemeinschaftlich obliegen, einschließlich des Betrages für die Bildung einer angemessenen Instandsetzungsrücklage.

2.1

Die auf die Sondereigentümer entfallenden Anteile an den vorbezeichneten Kosten werden nach den Verhältniswerten der Miteigentumsanteile ermittelt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. […]

4

Die Kosten der Unterhaltung der einzelnen Doppel- bzw. Vierfachparker in der Tiefgarage werden von den jeweiligen Eigentümern eines Doppel- bzw. Vierfachparkers getragen.

5

Die gesamten Kosten der Tiefgarage sind auf die Sondernutzungsberechtigten zu gleichen Teilen umzulegen“.

Amtsgericht und Landgericht gaben der klagenden Eigentümerin Recht und erklärten den Beschluss für ungültig. Die Gemeinschaftsordnung enthalte eine von § 16 II WEG abweichende Regelung, wobei sich aus § 7 II 2 GO ergebe, dass sich der jeweilige Sondernutzungsberechtigte um die Bauteile „seines“ Stellplatzes zu kümmern und die hierfür anfallenden Kosten allein zu tragen habe, während nur die Instandsetzung der gemeinschaftlichen Teile des Mehrfachparkers nach § 13 II 4 GO allen Berechtigten zu gleichen Teilen obliege.

Gegen dieses Verständnis der Gemeinschaftsordnung wandten sich die beklagten übrigen Eigentümer im Rahmen der Revision vor dem BGH. Sie sind der Ansicht, dass die in der angefochtenen Jahresabrechnung erfolgte gleichmäßige Kostenverteilung der Instandsetzungskosten nach Köpfen auf alle Sondernutzungsberechtigte des Vierfachparkers den Regelungen der Gemeinschaftsordnung entspreche. Der BGH sah das auch so und wies die Klage daher letztinstanzlich ab. Mit welcher Begründung?

Wie erfolgt eine Auslegung der Gemeinschaftsordnung?

Die fraglichen Regelungen der Gemeinschaftsordnung zur Instandsetzungspflicht und der Kostentragung sind, wie es leider häufig vorkommt, unklar und teilweise in sich widersprüchlich.

Während § 7 II 2 GO festlegt, dass die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten ihre dem Sondernutzungsrecht unterliegenden „Räumlichkeiten“ bzw. „Flächen“ auf eigene Kosten zu unterhalten und instandzuhalten haben, was man auch auf die im Sondernutzungsrecht stehenden Mehrfachparker beziehen könnte, regeln § 13 II 4 und 5 GO im Rahmen der Kostenverteilung, dass die Kosten der „Unterhaltung“ der einzelnen Doppel- bzw. Vierfachparker in der Tiefgarage von den „jeweiligen Eigentümern“ eines Doppel- bzw. Vierfachparker getragen werden und die „gesamten Kosten der Tiefgarage“ zu gleichen Teilen auf die Sondernutzungsberechtigten umzulegen sind.

Unklar oder gar widersprüchliche Regelungen, wie sie hier vorliegen, bedürfen der Auslegung, die hier vom BGH vorgenommen wurde. Nach dessen ständiger Rechtsprechung sind Gemeinschaftsordnungen zwar grundsätzlich auslegungsfähig. Für die Auslegung darf jedoch allein auf den Wortlaut und den Sinn der Regelung, wie sich dieser für einen unbefangenen Dritten als nächstliegende Bedeutung ergibt, abgestellt werden und nicht darauf, was der Verfasser der Regelung mit dieser aussagen wollte. Dahinter steht die Überlegung, dass die Gemeinschaftsordnung als Teil der Teilungserklärung mit in das Grundbuch eingetragen wird und daher auch Sonderrechtsnachfolger, beispielsweise im Verkaufsfall, bindet. Diese haben im Regelfall jedoch keine Kenntnis davon, welche Motive und Gründe den fraglichen Regelungen im Zeitpunkt ihrer Erstellung zu Grunde lagen. Umstände außerhalb der Gemeinschaftsordnung dürfen somit nur dann herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind.

Abweichungen von der gesetzlichen Verteilung der Aufgaben, Kompetenzen und Kosten, wie sie im vorliegenden Fall vorgenommen wurden, müssen nach ständiger Rechtsprechung daher klar und eindeutig aus der Gemeinschaftsordnung hervorgehen. Andernfalls gilt das Gesetz.

Wichtiger Auslegungsgrundsatz: Speziell geht vor Allgemein

Der BGH konnte angesichts dessen bereits nicht nachvollziehen, warum die Vorinstanzen die Regelung in § 7 II 2 GO auf den vorliegenden Fall angewandt hatten, wonach die jeweiligen Berechtigten ihre dem Sondernutzungsrecht unterliegenden „Räumlichkeiten“ bzw. „Flächen“ auf eigene Kosten zu unterhalten und instandzuhalten haben. Bei den von dieser Regelung in Bezug genommenen „Räumlichkeiten“ und „Flächen“ handele es sich nur um die Terrassen und Gartenflächen, an denen von der Teilungserklärung ebenfalls Sondernutzungsrechte begründet wurden, nicht aber um die Mehrfachparker, für die in § 13 II 4 GO eine eigene, speziellere und damit vorgehende Regelung existiere.

Für die hier strittige Kostenverteilung ergebe die Auslegung daher, dass ausschließlich auf § 13 II 4 und 5 GO abzustellen sei und die angefallenen Kosten gleichmäßig auf alle Sondernutzungsberechtigten des Vierfachparkers umzulegen sind; denn diese Regelung spricht ganz konkret die Kosten der Mehrfachparker an. Untermauert wird das durch das weitere Argument, die ansonsten erforderliche Zuordnung der verschiedenen Bauteile eines Mehrfachparkers in solche, die nur dem jeweiligen Stellplatz dienen und solche, die für den gesamten Mehrfachparker erforderlich sind, sei äußerst schwierig und konfliktträchtig. Durch eine vom Gesetz abweichende Instandsetzungs- und Kostentragungsregelung sei aber im Zweifel eine Vereinfachung und keine Verkomplizierung gewollt.

Der BGH kam somit zu dem von den beklagten Eigentümern und der Verwaltung ebenfalls geteilten Verständnis, dass hinsichtlich der Instandhaltung und Instandsetzung der Mehrfachparker und der diesbezüglichen Kosten ausschließlich auf die spezielle Regelung in § 13 II 4 GO abzustellen sei.

Unterscheide Instandhaltungspflicht von Kostentragungspflicht!

Da § 13 II 4 GO lediglich die Kostenverteilung regelt, verbleibt es hinsichtlich der Durchführung der Maßnahmen selbst bei den gesetzlichen Regelungen und damit, nachdem an den Mehrfachparkern im vorliegenden Fall lediglich Sondernutzungsrechte begründet wurden und kein Sondereigentum*, bei der Zuständigkeit der Gemeinschaft. Die hierfür anfallenden Kosten fallen aufgrund der abweichenden Kostenverteilungsregelung dann jedoch den jeweiligen Sondernutzungsberechtigten des Mehrfachparkers zur Last, untereinander zu gleichen Teilen.

Die in der angegriffenen Jahresabrechnung vorgenommene Kostenverteilung war somit korrekt, so dass die Beschlussanfechtungsklage vom BGH rechtskräftig abgewiesen wurde.

Was folgt daraus?

Die Entscheidung des BGH dürfte hilfreich sein für die in der Praxis sehr häufig notwendig Auslegung und damit das Verständnis von Instandsetzungs- und Kostenverteilungsregelungen. Sie sind in vielen Gemeinschaftsordnungen enthalten. Für die Auslegung ist in „erster Instanz“ der Verwalter zuständig, sei es im Rahmen der Erstellung der Abrechnung oder der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, hier im speziellen Fall von Mehrfachparkanlagen.

Auch wenn keine Gemeinschaftsordnung der anderen gleicht und es immer auf den jeweiligen Einzelfall ankommt, insbesondere wenn es um die Auslegung widersprüchlicher Regelungen geht, können die Ausführungen des BGH dabei helfen, sich im Rahmen der Auslegung die richtigen Fragen zu stellen. Um zu einer vertretbaren Anwendung der Regelung zu gelangen, die erforderlichenfalls auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält, muss man sich fragen:

  • Ist von mehreren in Frage kommenden Regelungen eine spezieller?

  • Möchte die Regelung nur die allgemeine Kostenverteilung abändern oder auch die Verantwortung für die Instandhaltung und Instandsetzung von der Gemeinschaft auf einzelne Eigentümer übertragen (sog. Instandhaltungslast)?

  • Lässt sich die Regelung eindeutig und widerspruchsfrei anwenden?

Für die „richtige“ Auslegung unklarer Regelungen einer Gemeinschaftsordnung gibt es jedoch auch weiterhin kein Patentrezept. In Zweifelsfällen, insbesondere wenn eine Anfechtung durch einen benachteiligten Eigentümer bereits absehbar ist, sollte daher schon im Vorfeld durch eine fachanwaltliche Beratung eine Risikominimierung versucht werden.

*

Ein Mehrfachparker wäre sondereigentumsfähig; s. BGH ZWE 2012, 81.


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